LINGUIST List 33.2614
Sat Aug 27 2022
Confs: Text/Corpus Linguistics/Germany
Editor for this issue: Everett Green <everettlinguistlist.org>
Date: 22-Aug-2022
From: Gerda Haßler <gerda.hassler
uni-potsdam.de>
Subject: Sprache – Diskurse – Meinungsbildung. Jahrestagung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.
E-mail this message to a friend Sprache – Diskurse – Meinungsbildung. Jahrestagung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.
Short Title: SDMei
Date: 20-Oct-2022 - 20-Oct-2022
Location: 10551 Berlin, Mathilde-Jacob-Platz 1 (Rathaus Tiergarten), Germany
Contact: Gerda Haßler
Contact Email:
< click here to access email > Meeting URL:
https://leibnizsozietaet.de/
Linguistic Field(s): Text/Corpus Linguistics
Meeting Description:
Dass Meinungen nicht nur durch Sprache ausgedrückt, sondern auch beeinflusst werden, ist ein seit Jahrhunderten bekanntes Phänomen. Für das Jahr 1759 hatte die Berliner Akademie die Preisfrage „Welcher Art ist der wechselseitige Einfluß der Meinungen des Volkes auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen?“ ausgeschrieben und damit deutlich auf die Relativität der Sprachen als Mittel der Erkenntnis und der Kommunikation hingewiesen. John Locke war schon 1690 zu einer noch weiter gehenden Feststellung über den Nebel, den die Sprache mitunter zwischen dem menschlichen Erkenntnisvermögen und der Objektwelt aufziehen lässt, gekommen. Die Wörter als ein Hindernis, das sich zwischen das menschliche Denkvermögen und die Realität der Außenwelt schiebt, wurden mehrfach im sprachkritischen Sinne thematisiert. Die Ansicht, dass Sprachen in ihrer Spezifik das Denken ihrer Sprecher formen, erreichte bei Wilhelm von Humboldt ihren Höhepunkt, setzt sich jedoch bis in die Gegenwart fort, etwa in der Annahme, dass Sprachen Zeitkonzepte oder die Farbwahrnehmung prägen können.
Geht es dabei um den Einfluss von Sprachen als historisch entstandenen und von den Sprechern erworbenen Gebilden, so steht heute die Prägung von Meinungen durch Diskurse im Mittelpunkt. Als Diskurse betrachten wir zum einen sprachliche Gebilde, die wie Texte über einen Satz hinausgehen; zum anderen werden in dem Begriff des Diskurses aber auch die Situiertheit eines sprachlichen Gebildes in seinem jeweiligen Produktionskontext und die daraus resultierende Produktion von Sinn und Bedeutung mitgedacht. Mehrere Texte zu einem Gegenstand, einem Problem, einen Konflikt usw. können einen Diskurs konstituieren, in dem spezifische sprachliche Mittel, wie Wörter, Metaphern, Phraseologismen, feste Wortkombinationen und sogar bestimmte Textsorten verwendet werden. Diese werden zu Erkennungsmerkmalen des Diskurses und zugleich zu meinungsbildenden Faktoren. Der Zusammenhang zwischen der Verwendung solcher Mittel und beabsichtigter Meinungsbildung ist den Rezipienten oft nicht bewusst, sie können sprachliche Formen sogar selbst übernehmen und damit zu Trägern der damit verbreiteten Meinung werden.
Vorträge
Gerda Haßler (Potsdam, MLS): Das Thema Sprache und Meinungsbildung in der Geschichte Berliner Akademie und in der heutigen Sprachwissenschaft
Martin Reisigl (Wien): Meinungs- und Wissensformation im Diskurs – Eine diskurshistorische Annäherung
Ottmar Ette (Potsdam, MLS): Die Tropen der Diskurse und die Diskurse der Tropen. Zur Erfindung und Findung der Amerikas
Jürgen Erfurt (Frankfurt am Main/Berlin, MLS): Über legitime Sprache und sprachliche Legitimität
Martina Drescher (Bayreuth): Meinungsbildung durch Gerüchte? Eine diskursanalytische Fallstudie zum Covid-19-Diskurs aus Kamerun
Monika Schwarz-Friesel (TU Berlin): Toxische Sprache und geistige Gewalt. Wie judenfeindliche Denk- und Gefühlsmuster seit Jahrhunderten unsere Kommunikation prägen
Michael Thomas (Berlin, MLS): Das Schweigen der Männer und die hilflose Soziologie. Politische Diskurse, Leitbegriffe und wissenschaftliche (Selbst-)Begrenzungen in Zeiten des Umbruchs
Constanze Spieß (Marburg): Populistischer Sprachgebrauch an der Grenze zu sprachlicher Gewalt - Zur Debattenpraxis im deutschen Bundestag (nur nachmittag)
Dorothée Röseberg (Halle/Berlin, MLS): Kulturmuster als Heuristik zwischen Sprache, Diskurs und sozialer Praxis. Das Beispiel „formation de la raison“
Page Updated: 27-Aug-2022